15.11.11

Berlin. Die Symphonie der Großstadt (1927) - Walther Ruttmann

Expressionismus und die GroßstadtWie ich in anderen Beiträgen schon angedeutet habe, machte die Großstadt nicht nur in den Bereichen Malerei und Literatur Karriere. Nachdem man sich dem neuen Medium Film widmete (siehe: Das Cabinet des Dr. Caligari) experimentierte man hier mit ebenso großem Eifer wie in anderen Gattungen der Kunst. Walther Ruttmann fertigte in den Jahren der Weimarer Republik einen Dokumentarfilm über die Hauptstadt Deutschlands, dem Mittelpunkt der Kunst und Kultur der Weimarer Republik. Die Dokumentation steht  im Anspruch der Objektivität, den die Neue Sachlichkeit zu markieren versuchte.
Großstadtmotiv. DokumentarfilmGezeigt wird die Hauptstadt im Verlauf eines Tages. Er beginnt mit einem Sonnenaufgang, der in einer abstrakten Darstellungsweise im Film auftaucht. Ein wildes Spiel mit Formen, die einen Sonnenaufgang auf der Wasseroberfläche mehr suggerieren als abbilden, ist die Einleitung des Filmes. Dem Film ist außerdem eine Orchestermusik unterlegt, die eigens für diese Aufnahmen komponiert wurde. Das heißt man schuf die Laute nach den Bildern und nicht umgekehrt. Der Zug führt den Zuschauer von den Vororten Berlins hinein in den Stadtkern. Die Straßen sind leer, fast schon gespenstisch leer. Man zeigt uns Wohnviertel, Einkaufsmeilen, Schaufenster mit erschreckend echt aussehenden Schaufensterpuppen. 
Ruttmann, Berlin, FilmNach und nach füllen immer mehr Menschen die zahlreichen Straßen. Erst ein paar Spaziergänger bis es schließlich immer mehr werden. Die gelieferten Eindrücke werden zusammengeschnitten, sodass ein differenziertes Bild aus vielen kleinen entsteht, wie eine Art  Collage oder Mosaik erhebt sich das gewaltige Bild der Stadt nach und nach aus seiner Ordnung der einzelnen Bestandteile, die hier und da einen neuen Zusammenhang finden. Wie große Ungetüme entlässt man die Eisenbahnen, Maschinen und Fahrzeuge in die Wildnis. Sie wirken monströs und stark. 
Interessant ist bei der Dokumentation natürlich auch der Eindruck, den man vom Berlin der 1920er bis 30er Jahre gewinnt, denn die Dokumentation zeigt nicht nur die großen und bekannten Plätze der Großstadt Berlin. 
Mit aufkommendem Verkehr auf den Straßen Berlins, wird die Musik immer intensiver und lauter ähnlich dem Krach, der im Berufsverkehr auf den Straßen herrscht.
Der Film enthält auch Einflüsse, die man als expressionistisch bezeichnen kann, weil er sehr auf die Gewalt und das Gefühl der Bilder setzt, die dargestellt werden. Es geht um die Intensität des Eindrucks. Eine Verzerrung der Wirklichkeit oder eine starke Tendenz zur Abstraktion gibt es allerdings nicht. Ruttmann liefert mit diesem Werk ein Experiment. Ein Experiment, das vielleicht versucht die Darstellungen und die Motive der Expressionisten aufzugreifen (wenn man hier an manche Szenen aus Metropolis denkt), vor allem das Großstadtmotiv steht hier im Mittelpunkt. Geht man vom Reihungsstil der Impressionisten aus, ließe sich dieser gut auf diesen Film übertragen. Denn was er liefert ist eine Auswahl an wechselhaften Bildern der Großstadt Berlins. Seien es Menschen, Häuser, Straßen oder Maschinen. Es handelt sich um einen Film, der an die Tendenzen des Expressionismus anknüpft, jedoch ohne diese in seiner Ästhetik umzusetzen.

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