13.3.14

Videodrome (1983) - David Cronenberg

Einführung

Videodrome zählt zweifelsohne zu den, sagen wir mal verstörenden Filmen. Dafür ist David Cronenberg bekannt. Von ihm stammen auch andere Filme wie eXistenZ (warum eigentlich diese Schreibweise?). Heute bespreche ich aber mal ein anderes seiner fleischigen Meisterwerke. Fleischig, weil Cronenberg eine ganz eigene Ästhetik hat, die er in seinen Filmen zum Besten gibt. Wer nicht gern die Handlung des Filmes vorweg genommen haben möchte, sieht ihn sich hier als Stream vorher an.

VHS-Cyberpunk?


Röhren-TV, VHS, Camcorder, Kassettenrekorder. Wer muss dabei nicht irgendwie an die 80er Jahre denken? Dieses Jahrzehnt und seine Kultur lebte von diesen neuen Medien. Da liegt es nahe, dass man sich reichlich Gedanken darum gemacht hat. Wohin führt uns diese neue Medium? Gut, im Angesicht heutiger Entwicklungen wie dem Internet 1.0, 2.0, 3.0 usw. mag diese Frage banal erscheinen, aber auch damals war dies eine einschneidende Veränderung. Eine ganze Generation von MTV-Kindern wurde hervorgebracht, wie man damals schimpfte. Video killed the radio star! In diesen Kontext kann man den Film Videodrome ansatzweise einstufen. Dieses verstörende Machwerk eines Kanadiers, einem Kind der 80er. Videodrome ist eine Art Thriller, ein wenig Cyberpunk, aber ohne Computer, Hacker und Nerds. David Cronenberg bedient sich hier nur dem technischen Inventar des TV. Ein faszinierender Gedanke. Es stellen sich Fragen über Medien allgemein. Was transportieren sie? Welchen Einfluss gewinnen sie?


Die Welt von Videodrome

Mitten in den 80er Jahren lebt Max Renn, der Besitzer eines kleinen eigenen TV-Senders. Max Renn vertreibt in seinem Nischenkanal Material, das nur auf bestimmte Interessengruppen abzielt. Hauptsächlich pornographisches und Gewalt. Hierfür recherchiert er ständig nach neuen noch schockenderen Inhalten. Tatsächlich hat während der 80er Jahre eine Lockerung der Moral über Medien stattgefunden. Man bekam im TV zunehmend alles zu sehen. Und die Erfindung des Kasettenrecorders, sowie die wachsende Erschwinglichkeit von TV-Technik, machten es vielen Hobby-Filmern möglich, ihre Materialen unter die Leute zu bringen.


Pornografie, Gewalt … Snuff


 Bei seiner Suche stößt er eines Tages auf unaussprechliches. Filme, von deren Ausmaß an Gewalt er überwältigt ist. Diese Szenen werden über eine Piratenfreuqenz ausgestrahlt. Er ist fasziniert und möchte herausfinden, woher dieses Material kommt und wie er es auf seinem Kanal senden kann. Den einen oder anderen mögen diese Inhalte an den Film 8mm mit Nicolas Cage erinnern, indem solche Gewaltstreifen ebenfalls Mittelpunkt der Handlung sind.


Medien und Wirklichkeitsentzug


Mit der Entdeckung von Videodrome beginnt Max Renn zu halluzinieren. Diese Szenen sind stilbildend für den gesamten Film. Das Bild im TV scheint sich der 2-dimensionalen Darstellung zu entheben und beginnt körperlich zu werden. Max Renn ist wie magisch von diesen Erscheinungen angezogen, er träumt sich immer mehr in einen Rausch aus Gewalt und Unwirklichkeit. Dabei ist auch dem Zuschauer nicht mehr klar, wo die Grenzen liegen. Erotik und sexueller Exzess scheinen Hand in Hand mit Gewalt zu gehen. Jedenfalls fühlt sich Renn davon stark angezogen.  In seinen Visionen begegnet ihm ein Mann, es handelt sich um den Medienwissenschaftler Brian O´Blivion. Ihn kann er allerdings ausschließlich über den TV wahrnehmen und empfangen. Dabei ist auch hier nicht klar, ob dieser schon Teil der Welt von Videodrome, d.h. den Halluzinationen Renns ist. Es wird zunehmend klar, dass Brian O´Blivion längst tot ist, aber über das Videodrome-Signal mit Renn kommunizieren kann. Was für das Medien TV, nach dem Prinzip des bloßen “Empfangens” unmöglich ist.


Medienkritik und Verschwörung


Max Renn wird klar, dass er das Opfer einer Firma geworden ist, die mit Videodrome im Stande ist, die Menschen zu manipulieren. Nicht die Gewalt ist der Auslöser dafür, sondern ein subversives Signal, das einen Tumor im Gehirn des Rezipienten wachsen lässt. Es soll sich hierbei nicht um eine Krankheit handeln, sondern um die Herausbildung einer parallelen von Medien induzierten Welt. Die Menschen, die in der Lage sind diese wahrzunehmen, gehören zum “Neuen Fleisch”. Bezeichnend ist auch, dass Betroffene diese Wahrnehmung als eine Verbesserung ansehen. Teil einer neuen Spezies sozusagen.


TV kills!


Nicht nur das Entstehen eines gewaltinteressierten Publikums zeigt Cronenberg in Videodrome. Er zeigt in überzeichneter Weise den vernichtenden Einfluss von Medien, speziell des Fernsehens. Dabei entsteht in zweierlei Weise eine kritische Darstellung, zum einen werden Medien an sich kritisiert, zum anderen deren Konsument. Denn klar ist, ohne Konsumenten kein Angebot. Cronenberg zeigt aber ebenso in perfider Weise die Macht der Konzerne und die Ohnmacht des Konsumenten. Er wird nicht nur TV-süchtig, sondern regelrecht infiltriert. Welchen beängstigenden Stellenwert das Medium TV eingenommen hat, wird durch die Körperlichkeit klar. Max halluziniert atmende Videokassetten, sprechende Geräte und fühlt sich davon in hypnotisierender Weise hingezogen. Das Monster TV ist zum Lebewesen geworden, dass den Menschen auffrisst. Für Brian ist das TV mehr als ein reines Medium, er bezeichnet es als die zweite Netzhaut des Menschen, sozusagen ein erweiterter Sinn.
Zitat: “Alles was das Fernsehen zeigt sind neue Erfahrungen. Deswegen ist Fernsehen Realität. Realität ist nichts ohne Fernsehen.“


Aktualität des Films


Angesichts heutiger Entwicklungen mag Videodrome mit seiner TV-Welt altbacken erscheinen. Was ist heute die Macht des Fernsehens gegen die des Internets? Beängstigend ist vielleicht, dass die Macht dieses Medium viel weiter reicht, als zu seiner Zeit das TV. Wer weiß, was Cronenberg heute drehen würde, würde er sich medienkritisch mit dem Internet auseinandersetzen. Trotz der 80er-Jahre Retro-Medienkritik ist das Thema hochaktuell. Es geht im speziellen nicht um das TV an sich, sondern um die ungefragte Bereitschaft des Menschen, einfach alles zu konsumieren, ohne Rückfragen und schließlich zu antizipieren. Das bedeutet das Medium formt den Menschen, gibt dabei vor ihn zu imitieren und vereinnahmt ihn. Sicherlich eine sehr krasse Darstellung in abstrakter horror-artiger Manier. Schließlich ist die Botschaft, die Cronenbergs Film selbst transportiert möglicherweise selbst so subtil, wie das Videodrome-Signal um das es geht. Und das macht den Film sehenswert.

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen